Die Demo, die vom Bahnhof Geldern durch die Innenstadt führte, forderte Aufklärung im Fall Amed Ahmad. Zusammen mit den Freund:innen von Amed, wurde ein würdevolles Gedenken an ihn organisiert. Es ging um unseren Freund Amed, das Gedenken an ihn und um die Aufklärung der Umstände seines Todes.

Hier findet ihr den Aufruf zum 18.12.2018 in Geldern:

„Wir haben viele Fragen: An das Justizministerium, an die Polizei und an die Beamt*innen, die seinen Tod zu verantworten haben, weil sie Amad unrechtmäßig in den Knast gesteckt haben.
Dass Amed „verwechselt“ wurde, können wir uns kaum vorstellen. Wir haben in den vergangenen Jahren den Rassismus der Polizei in Geldern selber erlebt. Wie die Polizei in Geldern mit Flüchtlingen, mit Migrant*innen, aber auch mit uns – Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, die hier seit vielen Jahrzehnte leben – umgeht, ist nicht akzeptabel. Auch Amed wurde bei seiner angeblichen “Verwechslung” Opfer dieses Rassismus, weil die Polizei sich für einen Flüchtling offenbar nicht die Mühe machen wollte, Personalien, Fotos, Fingerabdrücke, Wohnorte und Herkunft zu überprüfen. Sie hielten ihn sowieso schon für einen Kriminellen.

Wir sind auch wütend, weil Amed zu den Vorwürfen, die unter anderem der NRW-Innenminister Herbert Reul gegen ihn erhoben hat, nichts mehr sagen kann. Amed ist tot aber der Innenminister hatte kurz nach seinem Tod nichts besseres zu tun als ihm etliche Verdachtsfälle anzukreiden. Wir fragen uns: Funktioniert so der Rechtsstaat? Ist ein Verdacht schon ein Gerichtsurteil?

Seit Amed tot ist, haben wir viele Fragen, die bis heute unbeantwortet sind. Wir werden das nicht hinnehmen und wollen mit der Demonstration durch Geldern ein erstes Signal setzen, dass wir unverzüglich die volle Aufklärung fordern.

Das sind einige unserer Fragen:

  • Wieso hat man Amed nicht geglaubt, als er gesagt hat, dass er nicht der Gesuchte ist?
  • Wieso sollte Amed nur einmal gesagt haben, dass er nicht der Gesuchte ist? Wir kannten ihn anders, so war er nicht.
  • Wieso haben weder die Polizei noch die Justiz Amed einen Dolmetscher zur Verfügung gestellt, obwohl er kaum deutsch sprach?
  • Wer hat in der JVA Kleve die Gegensprechanlage ausgeschaltet, als es in Ameds Zelle schon 15 Minuten lang gebrannt hat?
  • Warum hat uns niemand darüber informiert, dass er in Haft sitzt?
  • Warum wird behauptet, dass Amed nicht wollte, dass seine Eltern wissen, dass er in Haft sitzt?
  • Warum hat uns niemand gesagt, dass er im Krankenhaus liegt?
  • Wieso wird behauptet, dass er Selbstmord begangen haben soll? War er überhaupt suizidal?
  • Was wäre mit Ameds Leichnam passiert, wenn sein Vater nicht aus den Medien vernommen hätte, dass er gestorben sei?
  • Wieso wurde erst nach mehr als zwei Wochen nach dem Brand und kurz nach seinem Tod ein externer Brandsachverständiger hinzugezogen?
  • Warum wurde Ameds Zelle so oft nach dem Brand geöffnet?
  • Hat Ameds Tod einen ähnlichen rassistischen Hintergrund wie der Fall Oury Jalloh im Jahr 2005 in Dessau?
  • Wir fragen uns außerdem, wie es sein kann, dass die Beamt*innen, die für seine unrechtmäßige Inhaftierung verantwortlich sind, weiterhin als Polizist*innen in Geldern arbeiten dürfen.
  • Wer schützt uns, wer schützt die Menschen vor diesen Polizist*innen?

Wir wollen alle Interessierten und alle Demo-Teilnehmenden dazu aufrufen, in bunter Kleidung zu erscheinen und jegliche Parteifahnen, seien es kurdische oder deutsche, zu Hause zu lassen. Es geht um unseren Freund Amed, das Gedenken an ihn und um die Aufklärung der Umstände seines Todes.
Wir werden selbst Materialien und Parolen bereit stellen, um der Demonstration einen würdigen Rahmen zu geben. Transparente, die auf Rassismus und zum Beispiel den Fall Oury Jalloh hinweisen, sind ausdrücklich erwünscht. Wir sehen hier viele Parallelen.

Treffen ab 13:30 Uhr am Bahnhof Geldern“

Folgende Parolen wurden vorgeschlagen:

  • Ob Kleve, Ob Dessau – Aufklärung jetzt!
  • Wechselgesang: Amed A. – Gerechtigkeit jetzt!
  • Gerechtigkeit ist mehr als nur ein Wort. Wir fordern Aufklärung. Jetzt sofort!
  • Wechselgesang: Rassismus? – Tötet!
  • Die Opfer werd’n verleugnet, die Täter nicht gesehen – Das ist Rassismus, das ist das System.
  • Wir sind nicht Alle, es fehlen die Gestorbenen.

Rückblick Demonstration 2018 in Geldern:

Mit bis zu 150 Menschen sind wir durch Geldern gezogen. Wir haben unsere Forderungen nach der Aufklärung von Ameds Tod in die Geldener Stadtgesellschaft getragen, das unser – und für zwei Jahre Ameds – zu Hause war. Wir bedanken uns bei allen, die uns am Samstag unterstützt haben und dazu aus verschiedenen Städten angereist sind. Ein besonderer Dank geht dabei an Oury Jalloh – Das war Mord, die Karawane Wuppertal und die Keupstraße ist überall – Her yer Keup Caddesi.

So gut die Demo als erstes Symbol war: Das war nur ein erster Schritt auf unserem Weg die Aufklärung voran zu treiben, die Amad, seine Eltern und wir als seine Freund*innen verdienen und einfordern. Wir wollen Gerechtigkeit. Wir wollen, dass die Verantwortlichen die Konsequenzen für ihr Handeln tragen. Es muss Schluss sein mit dem institutionellen Rassismus bei der Polizei und Justiz in Geldern, Kleve, Dessau und ganz Deutschland.

Dass das ein langer Weg ist, wissen wir. Wir haben es selbst am Samstag wieder zu spüren bekommen, als die Polizei uns teilweise im Spalier durch Geldern begleitete, als seien wir ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung. Warum? Weil wir für sie Migranten sind? Weil sie nicht wollen, dass die Bevölkerung einen Eindruck davon bekommt, wie man Amad bei der Polzei behandelt hat? Weil sie sich fürchten, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt?

Diese Polizei, die sich selbst als neutrale Instanz bezeichnet, wies dem WDR gegenüber unseren Vorwurf zurück, dass sie sich rassistisch verhalten.

Wir fragen uns: Wie kommt die Polizei dazu, unser Demonstrationsanliegen zu bewerten oder uns gar unsere Erfahrung abzusprechen, die wir über viele Jahre mit der Polizei gesammelt haben? Amad ist tot. Das ist Fakt. Und Amad wurde Opfer des institutionellen Rassismus der Polizei als man ihn angeblich „verwechselt“ und in den Knast gesteckt hat. Wie wir kürzlich mal wieder über die Medien erfahren durften, hat Amad – wie wir von Anfang an gesagt haben – mehr als einmal gefragt, warum er überhaupt in Haft sitzt. Er wollte sein Haftblatt haben. Sie haben ihn nicht ernst genommen, weil er ein Geflüchteter, ein Migrant war. Wer so handelt wie Polizei und Justiz, handelt rassistisch. Seit Wochen sickern immer wieder neue Widersprüche und Ungereimtheiten durch die Medien, die zeigen, dass die Darstellungen der Landesregierung unzählige ungeklärte Widersprüche enthalten. Jede weitere beantwortete Frage, wirft neue Fragen auf.

Wie schwer der Riegel zur Aufklärung zu knacken sein wird, haben wir gesehen als die Polizei ihre eigene Wache vor unserer Kundgebung mit 100 Leuten „geschützt“ hat, obwohl wir nichts weiter wollten, als in Sichtweite der Polizeiwache unsere Kritik zu formulieren. Zunächst wollte man uns erst gar nicht zum vereinbarten Kundgebungsort lassen. Mit der gleichen Vehemenz mit der die Polizei ihre eigene Wache schützt, unsere Demonstration kriminalisiert und alle Teilnehmenden somit stigmatisiert, schützt sie auch die Beamten, die Amed zu Unrecht in Haft gesteckt haben.

Unsere Freunde von Oury Jalloh -Das war Mord haben es uns und der Polizei am Samstag noch einmal erklärt: Es sind rassistische Strukturen bei der Polizei und Justiz, die Amed überhaupt erst dorthin gebracht haben, die ihn dort 2 Monate haben versauern und am Ende verbrennen lassen. Das sind Strukturen, die töten und genau diese Strukturen haben Amed auf dem Gewissen.

Deshalb sagen wir jetzt und in Zukunft: Amed Ahmad – das war Mord.

Wir werden weiter machen und gemeinsam mit unseren Freund*innen für Aufklärung und Gerechtigkeit kämpfen. Dass wir dabei viele Hürden überwinden müssen, wissen wir. Mit der am Samstag erlebten Solidarität werden wir es schaffen.


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