Familie Ahmad, angestrahlt vom Blaulicht der Polizei, klagt direkt die Polizei an! Fadila Ahmad sagt: „Ich klage die Polizei an. Sie sind diejenigen gewesen, die den Schutz hätten gewähren müssen.“

Zum Jahrestag des Brandes in der Zelle 143 in der JVA Kleve, rufen wir euch auf, am Freitag, den 17. September 2021 zur Demo nach Kleve zu kommen. Wir werden vom Klever Bahnhof zur JVA Kleve demonstrieren. Wir wollen an Amed gedenken, aber auch direkt vor Ort auf das vielfältige Versagen der JVA-Mitarbeitenden aufmerksam machen, die allesamt dafür hätten sorgen können, dass Amed nicht unrechtmäßig inhaftiert bleibt. Und die sich allesamt aus der Verantwortung gezogen haben.

Wir wollen zusammen kommen, um das deutsche und auch das europäische Asylsystem anzuklagen, dass Amed systematisch seiner Menschenwürde beraubt hat.

Wir klagen diejenigen an, denen Ameds unverschuldete Inhaftierung offenbar vollkommen egal war. Diejenigen, die ihn mit seinem Widerspruch, dass er nicht der Gesuchte sei, nicht ernst genommen haben, die seine fälschliche Inhaftierung wissentlich in Kauf genommen haben – oder sogar verursacht und vertuscht haben. Wir klagen diejenigen an, die Ameds Tod hätten verhindern können und die sich aus der Verantwortung herausreden. Wir klagen diejenigen an, die Amed selbst nach seinem Tod verleumdet haben. Und wir klagen diejenigen an, die allumfassende Aufklärung versprochen haben, aber ihr Wort nicht gehalten haben und von Anfang an nicht halten wollten.

Wir klagen ein System der Entmenschlichung und der Abwehr von Verantwortung an, wir klagen diese gesellschaftlichen Verhältnisse an, die so einen Tod möglich machen und bei einem Großteil der Menschen nur Gleichgültigkeit erzeugt.

Weil wir alldem nicht tatenlos zusehen werden, fordern wir:

eine lückenlose Aufklärung und Gerechtigkeit für Amed und für alle anderen Opfer rassistischer, patriarchaler und antisemitischer Gewalt. Dazu gehört für uns eine grundlegende Anerkennung der Mechanismen von institutionellem Rassismus der Polizei und Justizbehörden aber auch dem Rassismus der sogenannten Mehrheitsgesellschaft. Wir fordern mit Nachdruck, dass die erlebten Erfahrungen der Betroffenen, das erlebte Leid und der Verlust von einem geliebten Menschen endlich ernst genommen werden. Aus unserer Anklage muss die Forderung nach strukturellen Veränderungen der polizeilichen Behörden und Konsequenzen für alle Verantwortlichen folgen. Auch deshalb fordern wir öffentliche Orte des Gedenkens und des Erinnerns. Denn die Menschen, die hier getötet wurden, waren ein Teil dieser Gesellschaft der Vielen. Und auch deshalb fordern wir, dass die Perspektiven, die Erfahrungen und die Stimmen derjenigen, die zu lange nicht angehört wurde, endlich sichtbar werden, endlich angehört werden. Und all diese Menschen, die anklagen, die angeklagt haben, sie sind keine Opfer –

Sie erkämpfen sich hier und jetzt ihr Recht darauf gesehen und gehört zu werden – ihr Recht darauf, als Menschen gesehen und anerkannt zu werden.

„Unsere Forderungen lauten Gerechtigkeit, Gerechtigkeit und Gerechtigkeit. Wir werden nicht aufhören, nach den Mördern von unserem Sohn zu fragen. Wir benutzen das Wort Mörder, weil Menschen Amed getötet haben oder seinen Tod verursacht haben“. (Malek und Fadile Ahmad, die Eltern von Amed Ahmad – im Oktober 2018)

Am 4. Februar 2021 ist das Strafverfahren gegen den Polizisten Frank G. eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor gegen den Polizeibeamten aus Geldern wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt. G. soll die Inhaftierung von Amed Ahmad in der JVA Kleve im Sommer 2018 als Fehler erkannt, dann aber nicht für die Freilassung von Amed Ahmad gesorgt haben. Auch wurde geprüft, ob G. sich vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Kleve“, der seit 2019 im Landtag von Nordrhein-Westfalen für Aufklärung zu den Umständen der Inhaftierung und des Todes von Amed Ahmad sorgen soll, wegen falscher Aussagen als Zeuge strafbar gemacht habe. Nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Sie hätten keine hinreichenden Beweise dafür liefern können, dass G. vorsätzlich falsch gehandelt habe.

„Die Staatsanwaltschaft legt vermutlich aus politischen Gründen bei der Strafverfolgung von Polizeibeamt:innen andere Maßstäbe an, als im Normalfall. Es ist abwegig, bei der Freiheitsberaubung nur von Fahrlässigkeit auszugehen. Die handelnden Polizeibeamt:innen haben die Inhaftierung der falschen Person billigend in Kauf genommen“, so die Anwälte der Familie Ahmad, Forst und Reinecke.

Als Initiative Amed Ahmad, die die Angehörigen und Freund:innen von Amed Ahmad in der Öffentlichkeit vertritt, fühlen wir uns an den Brand-Tod von Oury Jalloh erinnert, der vor 16 Jahren in einem Haftraum der Polizeistation in Dessau unter bisher ungeklärten Umständen starb. Wie im Ringen um Aufklärung zu Oury Jallohs Tod muss nun auch die Familie von Amed Ahmad gemeinsam mit ihren Anwälten gegen die vorgeblichen Gedächtnislücken der Polizei und Justiz-Beamt:innen und -Mitarbeitenden der Kreispolizeibehörde Kleve und der JVA kämpfen.

So wurde erst gegen G. ermittelt, nachdem durch eine Presseveröffentlichung bekannt wurde, dass G. Wochen vor Amed Ahmads Tod in der JVA Kleve über dessen unrechtmäßige Inhaftierung informiert war. Besonders pikant ist, dass G. Amed Ahmad zu diesem Zeitpunkt bereits „kannte“, die lokalen Behörden in Geldern hatten ihn auf dem Kieker. Wir sind überzeugt, dass die rassistische Stigmatisierung und Kriminalisierung von Amed Ahmad, wie er sie vor seiner Inhaftierung erleben musste, mitverantwortlich für seinen Tod am 29. September 2018 ist. Konkret benennen wir dabei die Kreispolizeibehörde Geldern, das Amtsgericht Geldern, das Amt für Arbeit und Soziales Geldern sowie die Abteilung für Ordnungs- und Gewerbeangelegenheiten Geldern.

Unsere Kritik richtet sich auch an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), Justizminister Biesenbach (CDU) sowie an die beteiligten Staatsanwaltschaften. Sowohl die politisch Verantwortlichen als auch die Ermittlungs- und Justizbehörden sind an einer vollumfassenden Aufklärung zu den Hintergründen von Amed Ahmads Tod nicht interessiert. Ohne konsequente Aufklärung befürchten wir aber, dass auch weiterhin vor allem migrantisierte Menschen im Kontakt mit den Polizeibeamt:innen der Kreispolizeibehörde Kleve und andernorts um ihr Leben fürchten müssen. „Wer schützt uns und unsere Kinder, wenn wir nicht ausschließen können, dass so etwas jederzeit wieder passieren kann“, haben wir von Anfang an gefragt. Verwiesen sei dabei auf deutschlandweit 179 weitere ungeklärte Fälle von Tod in Polizeigewahrsam seit 1990, die von der Kampagne „Death in Custody“ aufgearbeitet wurden.


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